Smart City:Ausbau von zukunftsfähigen Städten
Smart City ist das neue Wunderwort, wenn es um zukunftsfähige Städte geht. In erster Linie wird damit gedanklich der Ausbau der Digitalisierung verbunden. Doch tatsächlich steckt in dem Begriff Smart City wesentlich mehr. Es ist ein ganzheitliches Konzept für Städte, das die Bereiche Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Umwelt, Mobilität und Lebensqualität umfasst. Dafür kommen eine Vielzahl technischer, insbesondere digitaler Innovationen zum Einsatz. Aber auch gesellschaftliche Innovationen wie Konzepte des Teilens (z.B. Car-Sharing) oder der Bürgerbeteiligung spielen eine Rolle. Dabei müssen sich die Akteure bei aller Technik- und Innovationsbegeisterung auch immer die Frage nach der Nachhaltigkeit stellen, d.h., ob die Entwicklung die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt ohne die Bedürfnisse späterer Generationen zu gefährden.
Smart Economy – Innovation durch Kommunikation
Die Wirtschaft in einer Smart City soll sich durch eine Vernetzung verschiedenster Akteure auf lokaler, regionaler und globaler Ebene auszeichnen, wodurch die Produktivität gesteigert wird. Der Fokus liegt besonders auf innovativen und zukunftsträchtigen Ideen. Das ist im Grunde nichts Neues. Innovationen und Kooperationen haben von jeher die Wirtschaft vorangetrieben. Heute jedoch ermöglichen digitale Technologien eine viel umfangreichere Vernetzung.
Eine analoge Form der Vernetzung sind Sharing Konzepte, Konzepte des Teilens. In großen und kleinen Städten entstehen Coworking Orte, wo Selbständige und kleine Unternehmen Büroräume oder auch nur einen einzelnen Arbeitsplatz mieten können. So kommen unterschiedliche Branchen in einer kommunikativen Atmosphäre zusammen und können Erfahrungen miteinander austauschen und sich bestenfalls sogar inspirieren.
Noch mehr eignen sich dazu offene Werkstätten, in denen die technische Ausrüstung gemeinsam genutzt werden kann, um neue Ideen zu entwickeln. So gibt es in Amsterdam das Gründerzentrum “Prodock”. Hier testen Unternehmen neue Produkte oder Prozesse aus, die nach erfolgreicher Erprobung direkt im Hafen von Amsterdam umgesetzt werden können. Beispielsweise wurde eine Überwachung des Hafens mittels Sensoren entwickelt, die kritische Bereiche der Hafeninfrastruktur beobachtet oder es wurden Drohnen getestet, um Öltanks oder Rohrleitungen aus der Luft untersuchen zu können.
Smart Governance – eine moderne und bürgernahe Verwaltung
Die Verwaltung einer Smart City ist nicht nur gekennzeichnet durch die Digitalisierung und die damit verbundene Erleichterung von Arbeitsabläufen, sondern es soll auch eine neue Art des Zusammenspiels der Zivilgesellschaft entstehen, d.h., ein Zusammenspiel von Staat, Politik, Unternehmen, (administrative) Institutionen, private und nichtstaatliche Interessengruppen und Einzelpersonen.
Die meisten Fortschritte sind bisher im technischen Bereich zu beobachten, wie digitale Dokumentenmanagementsysteme, Online-Zahlungsmöglichkeiten im Bürgeramt, Online-Terminvergabe oder Online-Dienstleistungen wie z.B. die Kfz-Anmeldung und Abmeldung. Ebenso hat sich die Präsenz von Städten in den Sozialen Medien und Stadt-Webseiten mit Informationen und Servicefunktionen für die Bürger etabliert.
Schwieriger ist es, neue Formen der Bürgerbeteiligung zu entwickeln. Mithilfe der digitalen Möglichkeiten kann leichter eine Transparenz von Maßnahmen, Planungs- und Entscheidungsprozessen hergestellt werden sowie Möglichkeiten der Teilnahme an diesen Prozessen für die Bürger. Doch gerade durch die Anonymität digitaler Medien können konstruktive Dialoge durch notorische Störer behindert werden. Daher benötigt es ebenso innovative Ideen auf der sozialen Ebene, um einen offenen, qualitativen Dialog von Verwaltung und Bürgern herzustellen und aufrechtzuerhalten.
Smart People braucht die Stadt
So gehören zu der Vision von einer Smart City auch die Smart People, die Zivilgesellschaft. In der idealen Smart City sind die sozialen Milieus verschmischt und nicht getrennt. Smart People sind Bürger, die besonders kreativ, flexibel und vernetzt sind. Sie profitieren nicht nur von den technischen Innovationen, die ihr Leben verbessern, sondern sie prägen auch ihrerseits die Stadt, indem sie Eigeninitiative ergreifen.
Beispiele dafür findet man in der Sharing Kultur. Am bekanntesten sind Mitfahrgelegenheiten oder das Car-Sharing, Menschen, die sich ein Auto teilen. Aber auch Gartenbauprojekte oder Integrationsgärten gehören zur Kultur des Teilens. Dabei werden z.B. Lebensmittel an öffentlichen Orten angebaut und geteilt.
Smart Environment – intelligente Technologie für Umwelt und Energie
Die Lebensgrundlage einer Stadt ist die Energie- und Trinkwasserversorgung sowie die Entsorgung von Abfall und Abwasser. Hierbei setzt eine Smart City auf ressourcenschonende Technologien, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien.
Die Energie in einer Smart City wird nicht nur von den Stadtwerken erzeugt, sondern auch eingespeist von lokalen Erzeugern, wie z.B. Solarstrom von Haushalten oder Windenergie von Betreibern einer Windkraftanlagen. Digitale Technologien vernetzen die verschieden Stromproduzenten und helfen dabei, eine Balance herzustellen zwischen Erzeugern, Speicherung und Verbrauchern.
Straßenlaternen können künftig mehr als nur Licht spenden. Da sie flächendeckend in der ganzen Stadt vorhanden sind, werden sie zu genialen Alleskönnern. Intelligente Laternen können ihre Helligkeit regulieren und sich selbst ein- und ausschalten. Dazu messen Sensoren ihre Umgebungsbedingungen, wie die Bewegungen von Personen und Fahrzeugen, das Verkehrsaufkommen oder das natürliche Licht. Dadurch kann Energie gespart werden. Weitere Sensoren überwachen die Funktionstüchtigkeit der Laternen und geben rechtzeitig Meldung, wenn sie gewartet werden müssen.
Zusätzlich können Straßenlaternen mit Access-Points ausgestattet werden und das öffentliche WLAN Netz verbessern. Ebenso können sie in Versorgungsstationen für Elektrofahrzeuge umgerüstet werden. Installierte Kameras, die den Verkehr beobachten, können Informationen für intelligente Ampelanlagen liefern oder Unfälle erfassen und sofort ein Signal an die Rettungskräfte senden. Außerdem erkennen die Kameras Staus und Baustellen und können Nutzer einer Smartphone App davor warnen. Die App zeigt zudem dem Fahrer eine alternative Route an. Dadurch verbessert sich der Verkehrsfluss und die Emissionswerte werden reduziert.
Sensoren, die Füllstände messen, können im Hochwasserschutz einen wichtigen Beitrag leisten. Ein drohendes Hochwasser wird somit schon im Vorfeld erkannt und Schutzmaßnahmen können ohne Zeitverlust eingeleitet werden. Ebenso können die Füllstände in Abfallbehältern gemessen werden. Dadurch kann die Abfallwirtschaft die Routen ihrer Fahrzeuge effizienter planen, denn es müssen nur diejenigen Stationen angefahren werden, deren Behälter gefüllt sind.
Die Konzentration von gefährlichen Gasen in Abwassersystemen kann mithilfe von Sensoren in Echtzeit gemessen und Gegenmaßnahmen für den Bedarfsfall automatisiert ausgelöst werden. Auch der Trinkwasserfluss kann auf diese Weise überwacht werden. Daten über Druck, Durchflussgeschwindigkeit, Temperatur und Fließrichtung können helfen, Wasser zu sparen, die Effizienz zu steigern und Komplikationen früh zu erkennen.
Smart Mobility – Mobilität für jeden
Die Mobilität in einer Smart City soll energieeffizient, emissionsarm, sicher und kostengünstig sein. Dabei sollte die Verkehrsinfrastruktur jeden erreichen können, auch Menschen im ländlichen Raum.
Für die Senkung der Schadstoffemissionen sind der Ausbau von E-Tankstellen und die Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) von großer Bedeutung. Ebenso können Sharing-Projekte, in denen Autos, Fahrräder, oder E-Roller geteilt werden, sowie Pendler- und Mitfahrinitiativen oder der Ausbau von Fahrradwegen den Verkehr in der Stadt reduzieren.
Emissionen, die durch die Suche nach freien Parkplätzen entstehen, können reduziert werden durch Sensoren, die in den Boden von Parkplätzen eingelassen werden. Sie melden über eine Datenplattform an eine Smartphone App, wo sich freie Stellflächen befinden. An den Parkplätzen wiederum können Ladestationen für E-Autos installiert werden.
Dank elektronischer Bezahlmöglichkeiten könnte sich der Verwaltungsaufwand für ehrenamtliche Mitfahrinitiativen reduzieren oder die Ticketpreise des ÖPNV flexibel gestaltet werden. In einem Pilotprojekt in Osnabrück soll sich künftig der Kunde per App vor Fahrtantritt einchecken können. Das System erkennt Ein- und Ausstiege und berechnet den günstigsten Preis. Damit sollen Zeitverluste durch Bezahlen beim Busfahrer wegfallen und die Linienbusse die Fahrpläne besser einhalten können.
Smart Living – Wie wollen wir leben?
Das Leben in einer Smart City umfasst viele Bereiche der Lebensqualität wie das Wohnen, die Gesundheit, öffentlicher Raum für das soziale Leben, das kulturelle Leben, Inklusion, Teilhabe auch benachteiligter Personen, Ehrenamt und Nachbarschaft oder das Sicherheitsgefühl.
Sicherheit ist ein sehr fragiles Thema. Mit digitalen Technologien kann mehr Sicherheit geschaffen werden. Doch wie viel Überwachung wollen wir? Es sollten durch Sensoren und Kameras nur soviel Daten erfasst werden, wie für die Anwendung notwendig ist und soweit anonymisiert wie möglich. Schließlich stellt sich die Frage nach der Sicherheit des digitalen Systems selbst. Wie sicher ist es vor Angriffen?
Die Sicherheit der Daten spielt auch bei den digitalen Möglichkeiten für die Gesundheitsdienste eine wichtige Rolle. In einer Smart City soll der Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten schneller, unkomplizierter und günstiger sein. Dazu sollen für eine bessere Patientenversorgung die Daten aus der Pflege, der Versorgung und der Medizin vernetzt werden. Denkbar wären außerdem Sensoren in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, die sofort melden, wenn ein Patient auf dem Boden liegt. Ebenso Fernbehandlungen und -überwachungen von Patienten, Gesundheits-Apps, elektronische Patientenakten oder elektronische Rezepte, die direkt an die Apotheke weitergeleitet werden.
Am weitesten fortgeschritten ist der intelligente Lebensraum in Gebäuden. Smart Home wird häufig mitgedacht bei der Planung neuer Gebäude. Sensoren können helfen, Energie zu sparen oder das Raumklima zu steuern. Heizungen, die sich mit einer Smartphone App eine Stunde vor der Heimkehr einstellen lassen, anstatt den ganzen Tag zu laufen. Licht, das an- und ausgeht, wenn jemand den Raum betritt oder verläßt. Fenster, die sich von selbst öffnen, wenn das Raumklima einen bestimmten Wert erreicht hat. Energieanbieter, die Strom- und Wasserverbrauch aus der Ferne ablesen können.
Die Stadtwerke Jena Gruppe plant noch weiter. Bis 2023 sollen ca. 270 Wohneinheiten saniert werden mit intelligenten Funktionen der Energiesteuerung, telemedizinische Anwendungen sowie Mobilitäts- und Logistikangebote. Eine zentrale Quartiersplattform soll die verschiedenen Services bündeln und für den Anwender abrufbar machen.
Smart City im kritischen Blick
Neue Technologien bieten viele Möglichkeiten, die das Leben und Arbeiten erleichtern, sogar helfen, die Umweltbelastungen zu reduzieren. Aber sie bergen auch Risiken, die immer im Auge behalten werden müssen. Überwacht uns künftig die intelligente Straßenbeleuchtung mit ihren Sensoren, Kameras und Access-Points?
Wo unterstützt die innovative Technik informelle, soziale Prozesse und wo werden sie von dem zugrundeliegenden Algorithmus als unerwünscht aufgefasst und in eine Form gezwängt?
Vielleicht sollten diese Fragen immer Gegenstand von Bürgerbeteiligungsaktionen sein in einer Smart Governance mit Smart People, um das richtige Maß zu finden und zu halten. In Diktaturen, wo es keinen Dialog zwischen Regierung und Bürgern gibt, sind die Risiken womöglich nicht fiktiv.
Eine wichtige Voraussetzung für eine Smart City ist der Ausbau einer schnellen, leistungsfähigen und zuverlässigen Netzwerk-Infrastruktur. Nur so können die elektronischen Systeme in Echtzeit und ohne Unterbrechung miteinander kommunizieren. Wenn das Leben einer Stadt von Mobilfunk, Netzwerken, Datenplattformen, Datenservern und Strom abhängt, macht sie sich sehr leicht verletzlich. Daher sind ebenfalls Sicherheitskonzepte und -maßnahmen unerläßlich.
In Artikeln zum Thema Smart City beobachten Autoren mit Besorgnis, dass die Smart-City-Konzepte oft einen Marktplatz für Technologiekonzerne darstellen und der Mensch darin lediglich als Konsument auftaucht, der beobachtet und gelenkt wird. So wird bemängelt, “dass in den Smart-City-Beratungsgremien der EU zwar Konzerne in großer Zahl vertreten sind, zivilgesellschaftliche Initiativen hingegen keinen Platz finden.” Auch dürfe, so die Autoren, in den Zukunftskonzepten der ländliche Raum nicht vergessen werden.
Doch Smart Cities sind nicht nur digitale Technologien die uns kontrollieren und gängeln könnten. Menschen, die sich dank sozialer Netzwerke zu Gemeinschaftsgärten zusammenfinden, kulturelle Events organisieren oder sich am Coworking Arbeitsplatz austauschen, gehören auch dazu.